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10
Nov
2007

"Kokettieren mit terroristischem Gedankengut"

Friedrich Schiller hätte hier und heute ein Problem, schrieb er doch folgenden Aufruf zum Mord an einem Staatsmann:

Durch diese hohle Gasse muss er kommen,
Es führt kein andrer Weg nach Küssnacht - Hier
Vollend ich's - Die Gelegenheit ist günstig.
Dort der Holunderstrauch verbirgt mich ihm,
Von dort herab kann ihn mein Pfeil erlangen,
Des Weges Enge wehret den Verfolgern.
Mach deine Rechnung mit dem Himmel Vogt,
Fort musst du, deine Uhr ist abgelaufen.


Eine britische Muslimin wurde jüngst des "öffentlichen Aufrufs zum Begehen einer terroristischen Straftat" für schuldig befunden. Sie hatte Dschihad-Gedichte im Internet veröffentlich.

Schon der Besitz von Material, das zur Ausübung terroristischer Straftaten anregen kann, gilt als "schwere Straftat".

Florian Rötzer (Heise) fragt sich, inwiefern dieser Kontext hier tatsächlich vorliegt:
Wie weit die (...) verbreiteten Äußerungen tatsächlich ernst zu nehmen sind, lässt sich nicht wirklich beurteilen. (...) Da ihre Texte in aller Öffentlichkeit geäußert wurden, muss man sie zumindest als reichlich naiv einschätzen, wenn man sie in die Nähe von Terrorgruppen rückt. Vermutlich war es eine gelangweilte junge Frau, die sich ähnlich wie manche der Amokläufer, beispielsweise der finnische Gymnasiast, in ein Abenteuer als moralischer Held fantasierte, der dann mit dem Terror der Tugend auch über Leichen geht. Man kämpft an der Front der islamistischen Revolution mit ihren Helden Bin Laden und Co., wie man früher als linker Revolutionär an der Front der Weltgeschichte mit Mao oder Che Guevara stand (oder sich jetzt in die neonazistischen Bewegungen einreiht). Aus solchen Träumereien und Ausbruchsfantasien können tatsächlich extremistische und terroristische Karrieren oder auch "nur" solche von Amokläufern beginnen, aber wo hören mehr oder weniger pubertäre oder verzweifelte Träumereien auf?

In jedem Fall stellt sich die Frage nach der Angemessenheit einer solchen juristischen Reaktion. Ich will die geschmacklosen Märtyrerphantasien der jungen "Dichterin" keinesfalls schönreden, habe aber den Eindruck, hier wird einmal wieder das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Menschenrechtsfeindlichkeiten lassen sich nicht mit der Beschneidung von Menschenrechten (z. B. dem Recht der freien Meinungsäußerung) kurieren. Bei der aktuellen Paranoisierung der europäischen Gesellschaft wittere ich ähnliche Entwicklungen wie jene, die einst Schiller in Haft und Büchner in's Exil brachten.

Ich mach' mir jetzt einen schönen Abend und radikalisiere mich ein wenig mit Hilfe des ebenfalls exilierten Heinrich Heine:
Im düstern Auge keine Thräne,
sie sitzen am Webstuhl und fletschen die Zähne;
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch.
Wir weben hinein den dreyfachen Fluch --
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem Gotte, zu dem wir gebeten
In Winterkälte und Hungersnöthen;
Wir haben vergebens gehofft und geharrt,
Er hat uns geäfft und gefoppt und genarrt --
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem König, dem König der Reichen,
Den unser Elend nicht konnte erweichen,
Der den letzten Groschen von uns erpreßt
Und uns wie Hunde erschießen läßt--
Wir weben, wir weben!

Ein Fluch dem falschen Vaterlande,
Wo nur gedeihen Schmach und Schande,
Wo jede Blume früh geknickt,
Und Fäulniß und Moder den Wurm erquickt --
Wir weben, wir weben!

Das Schiffchen fliegt, der Webstuhl kracht,
Wir weben emsig Tag und Nacht --
Altdeutschland, wir weben dein Leichentuch,
Wir weben hinein den dreyfachen Fluch,
Wir weben, wir weben!
Zur Ergänzung: mir ist deutlich bewußt, daß sich die Situation im Deutschland des 18. und 19. Jahrhunderts nicht zu einem Direktvergleich mit dem Heutzutage eignet. Aber eines läßt sich am Strang der Historie ablesen: Die Aufklärung ist vorbei. Wir leben in einer Zeit der staatlich verordneten Realitätsferne.
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