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10
Okt
2005

Nachrichten

Wie verbreiteten sich Nachrichten früher, in den Zeiten vor Telegraphie oder elektronischen Medien?
Wie lange hätte es gedauert, bis die Kunde vom Erdbeben in Südasien nach Europa gelangt wäre?
Und wie hätten diese Berichte ausgesehen? Erzählungen von Einzelschicksalen, immer gefärbt von den Erlebnissen der Augenzeugen? Welcher Anspruch an Objektivität wäre damals gestellt worden?

Die aktuellen Kriterien für "Nachrichten" erscheinen mir immer fragwürdiger. Die Verleugnung des Auges des Betrachters ist komplett vollzogen, sogar die zuliefernde Agentur verschwindet fast völlig hinter dem Absolutheitspostulat der Meldung (welche selbstverständlich gesteuert und gezielt in die Welt geschickt wird).

Was wollen wir eigentlich wissen?

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https://karan.twoday.net/stories/1046914/modTrackback

Stadl42 - 10. Oktober, 23:15

Alles wollen wir wissen...

..., oder?
Bis es uns zuviel wird... es ist schon längst zuviel!
Ich habe keinen Fernseher mehr, ich bevorzuge Informationsaufnahme seit etwa einem Jahr durch gelesene und gesprochene Worte. Wenn ich ein Bild sehen will, stelle ich mir eines vor oder male mir eines, damit bin dann auch nicht weiter von der Wirklichkeit weg, als das, was uns im Fernsehen präsentiert wird:
Als Bagdad beschossen wurde, sah man die nächtliche Skyline einer grossen orientalischen Stadt, über der wie bei einem Gewitter Blitze zuckten. Nur der Donner kam, wegen der verschiedenen Verarbeitungsgeschwindigkeiten bei der computergesteuerten Übertragung, zuerst.
So, so...

Ich hatte zu der Zeit einen irakischen Bekannten, dessen Familie größtenteils in Bagdad lebte. Er berichtete ab und zu kleine 'Kriegsanekdoten'. Obwohl er schon als Kindersoldat in der Wüste gekämpft und gemordet hatte, woran er fast zerbrochen wäre, fing er sehr oft zu weinen an, wenn er kopfschüttelnd fragte, wie so kultivierte Leute wie die Bürger Europas da einfach zuschauen konnten. Ich erklärte ihm damals, sie sähen nicht zu, sondern weg. Das verstand er, und weinte wieder.

Man sah nicht,
wie Häuser, die mit ihrer Einrichtung Heim und Zentrum für Familien waren, in einem Moment weggepustet wurden,
wie der geliebte Hund im Hof von einem herumfliegenden Stein niedergestreckt wurde,
wie eine Frau, bei dem Versuch, einen winzigen Teil ihrer Habe zu retten, mit schmerzverzerrtem und ebenso erstauntem Gesicht realisiert, dass Blut links und rechts an ihrem Hals herunter läuft und es für sie plötzlich totenstill geworden ist, weil eine nahe Detonation ihr die Trommelfelle zerrissen hat.

Wieso sollte ich mir also auch nur irgend etwas im Fernsehen anschauen, wo so viele grellbunte Bilder prasseln, dass das Wesentliche nicht mehr zu entdecken ist.
Sowohl unsere kulturellen wie auch intellektuellen Fähigkeiten sind dem einfach nicht gewachsen, meine ich. Deshalb sehe ich für mich nur eine Alternative: FLUCHT.
Man muss nicht jeden Drachen erlegen, oder? Man kann ihm auch mal aus dem Weg gehen.

Londo - 11. Oktober, 10:07

Inzwischen...

...geht es mir so, dass ich bei Nachrichtensendungen wegschalte, sobald das Thema Erdbeben aufkommt. Ich habe in den letzten Wochen soviele Katastrophenbilder gesehen (erst Katrina, dann Rita, jetzt das Erdbeben) - irgendwann ist das Faß voll, und es reicht!

MMarheinecke - 12. Oktober, 10:53

Innenweltverschmutzung

Was will ich wissen? Es ist ja nicht so, dass mich das Erdbeben (und seine Opfer) kalt ließe, das es mich überhaupt nicht interessieren würde. Ich erwarte von einem guten Reporter, der z. B. über ein Eisenbahnunglück berichtet, frei nach Kisch, dass er lang und breit über die Trümmer und Tote erzählt, sondern dass er die Aufmerksamkeit auf die verrotteten Schwellen und lockeren Schrauben lenkt. (Im Falle New Orleans z. B. auf brüchige Deiche und schlechten bis inexitentes Krisenmanagement.)
Genau das passiert zu selten. Entsetzen statt Aufklärung. Und: ein Journalist kann fair sein, er kann und soll gründlich, kritisch und gewissenhaft sein, aber "Objektiv" kann er gar nicht sein. Er ist weder Richter noch Wissenschaftler (die auch nie objektiv sein können, aber die nach Objektivität streben sollten).

Wie die überemotionalisierte, Sensationsaspekte betonende, faktenarme und auf Hintergründe weitgehend verzichtende Berichterstattung auf mich wirkt, kann ich nur subjektiv schildern: Ich mag und kann sie mir nicht mehr antun, und nehme unter Umständen in Kauf, auf Informationen, die mich durchaus interessieren, zu verzichten. Bei einem Erdbeben im Kaschmir ist das relativ unwichtig, bei z. B. der Vogelgrippe (oder auch AIDS) kann das nicht informiert sein gefährlich werden. Ein teilweiser Ausweg: Das Fernseh-Infortainment meiden, auf "schriftliche Quellen" mit anderer Informationskultur ausweichen.

Den Effekt, den die "Berieselung" mit Sensationen, Medienklischees und "Medien-Märchen", die Skandalisierung bei mir hinterläßt, habe ich mal "Innenweltverschmutzung" genannt. Mein Beispiel war Stonehenge, das ich "spontan" als überfüllte Touristenfalle und Treffpunkt spinnerter Esoteriker wahrnahm; es kostete mich bewußte Anstrengung, diese negative und verkürzte Wahrnehmung beiseite zu schieben.

eibensang - 13. Oktober, 15:41

"Innenweltverschmutzung"

bringt es sehr gut auf den Punkt. Ja, der alte Kisch! Genau diese Differenzierung zwischen Sensationsfokus und Ursachen-Information vermisse ich bei heutigen "Nachrichten" allzusehr und allzuoft.

Zu all dem kommt m.E. noch der psychologische Effekt, allzuleicht das so eindringlich via Medienbild Empfangene und Gesehene zu verwechseln mit tatsächlich selbst Erlebtem (zumal es ja "leichter" fällt, sich mit Ereignissen zu "befassen", die man selbst nicht ändern kann, weil z.B. zu weit weg - im Gegensatz zu jenen eigenen, mit denen man sich befassen sollte, die aber dummerweise Arbeit machen...) In diesem Sinne muß ich mal abspülen jetzt (unabhängig davon, wie schlecht oder gut die Welt ist;-)

Und zu Andis Frage, was wir eigentlich wissen wollen, fällt mir ein -
genau das, was Martin sagte: nicht die abgerissenen Gliedmaßen will ich unbedingt sehen (schon gar nicht ausschließlich), sondern profunde Überlegungen hören, warum der Zug entgleiste. Mindestendenz.

Ansonsten halt ich´s frei nach Rio Reiser: Solang nich´ auf sämtlichen Kanälen nonstop Robert Lembkes "Was bin ich" läuft (wie in Rios "König von Deutschland" vorgeschlagen:-) leiste ich mir keinen Fernsehanschluß!

(Als Alternative ließe ich mir noch Fidel Castros Gedröhn auf sämtlichen Kanälen verpassen - unter Voraussetzung, daß der nirgendwo mehr den "Commandante" markieren dürfte außer vor der Kamera... Eine alte Freundin von mir traf nämlich auf Kuba einen noch viel älteren dortigen Landsmann, der genau das tatsächlich glaubte: daß der Fidel nämlich worldwide palavert im TV. Erheiterte mich, die Vorstellung! :-))))

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