"Bitte nicht erschrecken", sagt der Optiker. "Sie werden sich dran gewöhnen. Normalerweise dauert das so ein bis zwei Wochen."
Er schiebt mir die Brille auf die Nase - und die Welt beginnt, sich zu wellen und zu wölben. Ich verabschiede mich freundlich und schwanke durch die Innenstadt wie Jack Sparrow.
Eigentlich ist alles verschwommen. Die Ferne ist zwar relativ scharf, aber sobald ich jemanden zu fixieren versuche, der mir entgegenkommt, verwischt er.
Der Nahbereich hält unschöne Überraschungen bereit. Habe ich wirklich so faltige Hände? Ein Blick in den Spiegel einer Drogerie offenbart veritable Krähenfüße um die Augen, die ich noch nie gesehen habe, aber eine richtige Krähe braucht nun mal nicht nur Flügel, sondern auch Füße, und so ist das wohl schon in Ordnung.
Autofahren sollte ich eigentlich noch nicht, aber das klappt merkwürdigerweise am besten, wahrscheinlich, weil ich den Blick mit weitem Fokus relativ stabil halte. Das Zusammensuchen von Garderobe für das Wochenende gestaltet sich zum Hindernislauf. Zum einen sehe ich den Boden wie durch eine Milchglasscheibe, zum anderen scheint er viel nähergerückt, ebenso wie die Klamotten im Schrank. An den Rändern des Blickfelds schmiert alles seitlich ab, als würde ich in eine spiegelnde Kugel gucken.
Tippen am Computer geht nur mit hochnäsig erhobenem Haupt. Wahrscheinliich muß ich den Bildschirm irgendwie nach hinten abkippen. Oder ein Loch in den Tisch sägen und ihn versenken.
Außerdem macht die Brille mich müde. Ich fühle mich, als hätte mir jemand mit dem Hammer auf den Kopf gehauen. Sollte sie wohl abnehmen und ins Bett gehen...