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Lyrikschleuder mit Prosabesatz

25
Aug
2006

Die Wollust

Die Wollust bleibet doch der Zucker dieser Zeit!
Was kann uns mehr denn sie den Lebenslauf versüßen?
Sie lässet trinkbar Gold in unsre Kehle fliessen
Und öffnet uns den Schatz beperlter Lieblichkeit;
In Tuberosen kan sie Schnee und Eis verkehren
Und durch das ganze Jahr die Frühlingszeit gewähren.

Es schaut uns die Natur als rechte Kinder an,
Sie schenkt uns ungespart den Reichtum ihrer Brüste,
Sie öffnet einen Saal voll zimmetreicher Lüste,
Wo aus des Menschen Wunsch Erfüllung quellen kann.
Sie legt als Mutter uns die Wollust in die Armen
Und läßt durch Lieb und Wein den kalten Geist erwarmen.

Nur das Gesetze will allzu tyrannisch sein,
Es zeiget jederzeit ein widriges Gesichte,
Es macht des Menschen Lust und Freiheit ganz zunichte
Und flößt vor süßen Most uns Wermuttropfen ein;
Es untersteht sich uns die Augen zu verbinden
Und alle Lieblichkeit aus unser Hand zu winden.

Die Ros' entblößet nicht vergebens ihre Pracht,
Jasmin will nicht umsonst uns in die Augen lachen,
Sie wollen unser Lust sich dienst- und zinsbar machen
Der ist sein eigen Feind, der sich zu Plagen tracht;
Wer vor die Schwanenbrust ihm Dornen will erwählen,
Dem muß es an Verstand und reinen Sinnen fehlen.

Was nutzet endlich uns doch Jugend, Kraft und Mut,
Wenn man den Kern der Welt nicht reichlich will genießen
Und dessen Zuckerstrom läßt unbeschifft verschießen?
Die Wollust bleibet doch der Menschen höchstes Gut!
Wer hier zu Segel geht, dem wehet das Gelücke
Und ist verschwenderisch mit seinem Liebesblicke.

Wer Epicuren nicht für seinen Lehrer hält,
Der hat den Weltgeschmack und allen Witz verloren.
Es hat ihr die Natur als Stiefsohn ihn erkoren.
Er mus ein Unmensch sein und Scheusal dieser Welt;
Der meisten Lehrer Wahn erregte Zwang und Schmerzen
Was Epicur gelehrt, das kitzelt noch die Herzen.

Christian Hofmann von Hofmannswaldau

23
Aug
2006

An sich

Sei dennoch unverzagt! Gib dennoch unverloren!
Weich keinem Glücke nicht, steh höher als der Neid,
Vergnüge dich an dir, und acht es für kein Leid,
Hat sich gleich wider dich Glück, Ort und Zeit verschworen.

Was dich betrübt und labt, halt alles für erkoren,
Nimm dein Verhängnis an, lass alles unbereut.
Tu, was getan sein muss, und eh man dirs gebeut.
Was du noch hoffen kannst das wird noch stets geboren.

Was klagt, was lobt man doch? Sein Unglück und sein Glücke
Ist sich ein jeder selbst. Schau alle Sachen an:
Dies alles ist in dir. Lass deinen eitlen Wahn,

Und eh du fürder gehst, so geh in dich zurücke.
Wer sein selbst Meister ist, und sich beherrschen kann,
Dem ist die weite Welt und alles untertan.

Paul Fleming

21
Aug
2006

Der Lernende

Erst baute ich auf Sand, dann baute ich auf Felsen.
Als der Felsen einstürzte
Baute ich auf nichts mehr.
Dann baute ich oftmals wieder
Auf Sand und Felsen, wie es kam, aber
Ich hatte gelernt.

Denen ich den Brief anvertraute
Die warfen ihn weg. Aber die ich nicht beachtete
Brachten ihn mir zurück.
Da habe ich gelernt.

Was ich auftrug, wurde nicht ausgerichtet.
Als ich hinkam, sah ich
Es war falsch gewesen. Das Richtige
War gemacht worden.
Davon habe ich gelernt.

Die Narben schmerzen
In der kalten Zeit.
Aber ich sage oft: nur das Grab
Lehrt mich nichts mehr.

Bertold Brecht

19
Aug
2006

Under der linden

Under der linden
an der heide,
dâ unser zweier bette was,
dâ muget ir vinden
schône beide
gebrochen bluomen unde gras.
vor dem walde in einem tal,
tandaradei,
schône sanc diu nahtegal.

Ich kam gegangen
zuo der ouwe:
dô was mîn friedel komen ê.
dâ wart ich empfangen
hêre frouwe
daz ich bin sælic iemer mê.
kust er mich? wol tûsentstunt:
tandaradei,
seht wie rôt mir ist der munt.

Dô hete er gemachet
alsô rîche
von bluomen eine bettestat.
des wirt noch gelachet
inneclîche,
kumt iemen an daz selbe pfat.
bî den rôsen er wol mac
tandaradei,
merken wâ mirz houbet lac.

Daz er bî mir læge,
wesse ez iemen
(nu enwelle got!), so schamte ich mich.
wes er mit mir pflæge,
niemer niemen
bevinde daz wan er und ich
und ein kleinez vogellîn:
tandaradei,
daz mac wol getriuwe sîn.

Walther von der Vogelweide

27
Jul
2006

24
Jul
2006

Der Dichter spricht

Ach, aber mit Versen ist so wenig getan, wenn man sie früh schreibt. Man sollte warten damit und Sinn und Süßigkeit sammeln ein ganzes Leben lang und ein langes womöglich, und dann, ganz zum Schluß, vielleicht könnte man dann zehn Zeilen schreiben, die gut sind. Denn Verse sind nicht, wie die Leute meinen, Gefühle (die hat man früh genug), - es sind Erfahrungen. Um eines Verses willen muß man viele Städte sehen, Menschen und Dinge, man muß die Tiere kennen, man muß fühlen, wie die Vögel fliegen, und die Gebärde wissen, mit welcher die kleinen Blumen sich auftun am Morgen. Man muß zurückdenken können an Wege in unbekannten Gegenden, an unerwartete Begegnungen und an Abschiede, die man lange kommen sah, - an Kindheitstage, die noch unaufgeklärt sind, an die Eltern, die man kränken mußte, wenn sie einem eine Freude brachten und man begriff sie nicht (es war eine Freude für einen anderen -), an Kinderkrankheiten, die so seltsam anheben mit so vielen tiefen und schweren Verwandlungen, an Tage in stillen, verhaltenen Stuben und an Morgen am Meer, an das Meer überhaupt, an Meere, an Reisenächte, die hoch dahinrauschten und mit allen Sternen flogen, - und es ist noch nicht genug, wenn man an alles das denken darf. Man muß Erinnerungen haben an viele Liebesnächte, von denen keine der andern glich, an Schreie von Kreißenden und an leichte, weiße, schlafende Wöchnerinnen, die sich schließen. Aber auch bei Sterbenden muß man gewesen sein, muß bei Toten gesessen haben in der Stube mit dem offenen Fenster und den stoßweisen Geräuschen. Und es genügt auch noch nicht, daß man Erinnerungen hat. Man muß sie vergessen kön nen, wenn es viele sind, und man muß die große Geduld haben, zu warten, daß sie wiederkommen. Denn die Erinnerungen selbst es noch nicht. Erst wenn sie Blut werden in uns, Blick und Gebärde, namenlos und nicht mehr zu unterscheiden von uns selbst, erst dann kann es geschehen, daß in einer sehr seltenen Stunde das erste Wort eines Verses aufsteht in ihrer Mitte und aus ihnen ausgeht.

Rainer Maria Rilke

23
Jul
2006

Erfahrungen

Von tausend Erfahrungen, die wir machen, bringen wir höchstens eine zur Sprache, und auch diese bloß zufällig und ohne die Sorgfalt, die sie verdiente. Unter all den stummen Erfahrungen sind diejenigen verborgen, die unserem Leben unbemerkt seine Form, seine Färbung und seine Melodie geben. Wenn wir uns dann, als Archäologen der Seele, diesen Schätzen zuwenden, entdecken wir, wie verwirrend sie sind. Der Gegenstand der Betrachtung weigert sich stillzustehen, die Worte gleiten am Erlebten ab, und am Ende stehen lauter Widersprüche auf dem Papier. Lange Zeit habe ich geglaubt, das sei ein Mangel, etwas, das es zu überwinden gelte. Heute denke ich, daß es sich anders verhält: daß die Anerkennung der Verwirrung der Königsweg zum Verständnis dieser vertrauten und doch rätselhaften Erfahrungen ist. Das klingt sonderbar, ja eigentlich absonderlich, ich weiß. Aber seit ich die Sache so sehe, habe ich das Gefühl, das erstemal richtig wach und am Leben zu sein.

Pascal Mercier

24
Mai
2006

Denken

"... Muß einer denken? Wird er nicht vermißt?

Du sagst: es zählt ein andrer Geist auf ihn..."


Ingeborg Bachmann

16
Apr
2006

Alle Lust will...

O Mensch! Gib acht!
Was spricht die tiefe Mitternacht?
"Ich schlief, ich schlief -,
Aus tiefem Traum bin ich erwacht: -
Die Welt ist tief,
Und tiefer als der Tag gedacht.
Tief ist ihr Weh -,
Lust - tiefer noch als Herzeleid:
Weh spricht: Vergeh!
Doch alle Lust will Ewigkeit -,
- will tiefe, tiefe Ewigkeit!"

Friedrich Nietzsche

7
Mrz
2006

The Wilderness

I came too late to the hills: they were swept bare
Winters before I was born of song and story,
Of spell or speech with power of oracle or invocation,

The great ash long dead by a roofless house, its branches rotten,
The voice of the crows an inarticulate cry,
And from the wells and springs the holy water ebbed away.

A child I ran in the wind on a withered moor
Crying out after those great presences who were not there,
Long lost in the forgetfulness of the forgotten.

Only the archaic forms themselves could tell!
In sacred speech of hoodie on gray stone, or hawk in air,
Of Eden where the lonely rowan bends over the dark pool.

Yet I have glimpsed the bright mountain behind the mountain,
Knowledge under the leaves, tasted the bitter berries red,
Drunk water cold and clear from an inexhaustible hidden fountain.


Kathleen Raine
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